24 Stunden um den Sonnensee - wir haben eine Langstrenwanderung ausprobiert und uns ein paar Gedanken dazu gemacht
In den letzten 10 Jahren konnte ich immer mehr eine Zunahme von 24-Stunden-Wanderungen in Deutschland wahrnehmen. Als ich vor gut 15 Jahren da erste Mal mit dem deutschsprachigem Wegbereiter Thorten Hoyer darüber sprach tat ich es als eine Idee, die nie und nimmer Anklang finden wurde, ab - weit gefehlt!
Ich selbst hatte zwar schon zu Zeiten der Wehrpflicht anno 1992 meine Erfahrungen mit einem 65km-Marsch gemacht, doch damals wurden wir wenigen freiwilligen W12er müde von den Kameraden belächelt „...und das für nur einen Tag Sonderurlaub?“ bekamen wir Jungs meist zu hören...
Nun sehe ich wie immer mehr touristische Destinationen auf den Zug der Mega-, Mammut- oder schlicht 24-Stunden-Wanderungen aufspringen und wie immer mehr Leute aus dem entfernten Bekanntenkreis an diesen teilnehmen - Zeit also, meine Wahrnehmung zu überprüfen und selbst mal wieder eine wirklich lange Strecke am Stück zu wandern.
Da es gerade nicht nur Sommer, sondern auch hochsommerlich warm war, fiel nach kurzem Überlegen die Wahl des Zielgebietes auf „unseren“ Sonnensee.
Hatten wir hier nicht nur unser Wochenenddomizil, auch für ausreichend Verpflegungspunkte, Lagerung von Material, warmer Sachen, Kaffee, Cola und Naschereien war so gesorgt. Ein ggf. notwendiger schneller Tausch von Schuhen oder sonstigem war so alle paar Kilometer nach jeder Runde möglich. Allerdings barg das auch die permanente Versuchung auf überlange Pausen und gar Abbrechen der Tour...
Fast pünktlich um 16:15 ging es los, die ersten Runden noch bei hochsommerlichen Temperaturen ohne scheuernde Klamotten und mit Sandalen auf dem gesamten Wegenetz um den See, welches bisher noch nicht erfasst wurde. Nach einigen Runden dann der Wechsel auf festeres Schuhwerk nebst den viel gelobten CEP-Kompressionstrümpfe (ich berichtete bei meinen Tests). So marschierten wir Runde um Runde auf den unterschiedlichen Wegen um den See. Nach dem Sonnenuntergang im letzten Drittel des lange Abenddämmerung ein plötzlicher Stopp - was war denn da auf dem Wege? Ein Bücken und Rauskramen der SOS-Taschenlampe - und dann schnell die Handys raus - da krabbelte doch ein Nashornkäfer! Cool! Der zweite, den wir bisher in freier Wildbahn vor Augen hatten! Dann ging es weiter und es dämmerte immer stärker. Die ersten Fledermäuse flatterten über unseren Köpfen und Glühwürmchen säumten immer häufiger unseren Weg. Kurz vor 24:00 war es dann so weit und wir mussten endgültig unsere Stirnlampen einsetzen. Da es noch nahe am Neumond war konnten wir nun die Sterne und sogar die Milchstraße bestaunen. Ja, und dann sogar zwei Sternschnuppen! Weiter ging es Runde um Runde und immer mit einer anderen Lampe, wollten wir doch alle Kandidaten mit optionalem Rotlicht in der Praxis ausprobieren. So stellten wir für uns fest, dass wir mit Rotlicht am besten Wandern konnten und grünes, wie auch blaues als sehr unangenehm empfanden – über das RGB-Licht werden ich noch ausführlicher berichten.
Die Runden in der kurzen Nacht bescherten uns raschelnde und fotoscheue Igel.
Ab 02:00 zeigte sich ein Silberstreifen am Horizont. Die einsetzende Morgendämmerung offenbarte dann wieder Fledermäuse am wolkenlosen Himmel und dichten Nebel auf dem See ... und Temperaturen von nur 7°C, gut, das wir passende Sachen in unserem Domizil parat hatten - und auch den notwendige frischen Kaffee ;-)
Langsam zeigten ich auch Müdigkeits-Erscheinungen, waren wir doch seit insgesamt 22 Stunden wach - ein vorangegangener Mittagsschlaf wäre wirklich clever gewesen!
Um 04:00 war es zur Halbzeit taghell, die Stirnlampen wieder gut verstaut und die Natur erwachte - überall hektische und schilpende Vöglein, sogar ein Specht ließ sich durch uns nicht beirren.
Jetzt waren wir auf den Sonnenaufgang gespannt. Der Horizont färbte sich erst orange, später rot und dann strahlte die gelbe, ja fast weiße Sonne durch die Bäume am östlichen Seeufer. Wir staunten wie lange sich der Nebel auf dem See hielt, Bäume und Badeinseln wirkten wie aus einem Gruselfilm, besonders wenn man sich die Zeit nahm die ziehenden Nebelschwaden zu beobachten!
So wurde es morgen und nun erwachten auch die Besucher des Sees - und wir konnten zur Abwechslung wieder durch die „Wohngebiete“ wandern ohne die Mitbewohner durch nächtliches Umhergefunzel zu erschrecken ... wobei ;-)
Mit der aufsteigenden Sonne kamen auch die Wolken und die Temperaturen stiegen nur langsam ... so war das nicht geplant! Den ganzen Vormittag waren wir noch in Fleecejacken unterwegs. Gut, sicher war das auch zu einem gewissen Teil der nun deutlich zu verspürenden Müdigkeit zuzuschreiben. Kaffee und Cola konnten wir jetzt echt nicht mehr sehen, auch der Löffel Instantkaffee wollte nicht mehr so recht wirken.
Ab der Mittagspause hieß das Motto dann nur noch „durchhalten“, die Schritte fielen schwerer ebenso die Augenlider ... naja, an anfeuerndem Publikum mangelte es auch irgendwie...
Dafür klappte es mit dem Timing um so besser, Schlag 16:15 waren wir wieder an unserem Wohnwagen - geschafft! Darauf einen Sieger-Schnaps und ab in Bettchen ;-)
Fazit: Ja, 24 Stunden am Stück wandern geht ... das ist mal etwas anderes, muss man mal gemacht haben. Wir haben unsere Bestmarken in Sachen Strecke und Zeit z.T. deutlich angehoben - ja, und uns bewiesen, das es geht ... vielleicht ist das Beweisen auch Motivation bei den meisten anderen Teilnehmern solcher Märsche ... wer weiß?
Und würden wir es wieder tun? Ja, andere Startzeit und andere Vorbereitung - jetzt einen Tag danach machen sich Muskeln und Gelenke gar nicht so schlimm bemerkbar wie befürchtet.